08.07.2025

Taiwan Today

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Taiwans Tennisdamen trumpfen auf

01.07.2008
Chuang (links) und Chan wurden bei der US Open 2007 Zweite im Damendoppel. (Foto: Central News Agency)

Mehr Berichterstattung in den Medien, ein reifendes System zur Spielerentwicklung und mehr Sponsorentum durch die Wirtschaft tragen dazu bei, dass Taiwans Tennisspielerinnen international immer wettbewerbsfähiger werden.

Bevor die offene australische Tennismeisterschaft Australian Open 2007 begann, waren die beiden taiwanischen Doppel-Partnerinnen Chan Yung-jan(詹詠然) und Chuang Chia-jung(莊佳容) überrascht und erfreut, dass sie eine Wildcard-Einladung erhalten hatten. Sie konnten nicht ahnen, dass ihr Abschneiden bei dem Turnier Taiwans Tennislandschaft ein für allemal verändern würde.

Im ersten Satz ihres Halbfinalspiels am 25. Januar 2007 gegen die an Rang 2 gesetzten Yan Zi und Zheng Jie aus der VR China, die Titelverteidiger der Australian Open, konnte das ungesetzte taiwanische Duo den Aufschlagsvorteil der Chinesinnen durchbrechen und den Satz gewinnen. Der Anfang des zweiten Satzes war hart umkämpft, doch am Ende gelang Chan und Chuang ein Durchbruch im taiwanischen Tennis, indem sie das Finale eines Grand Slam-Turniers erreichten. Zwar unterlagen sie im Endspiel in drei Sätzen gegen Cara Black (Simbabwe) und Liezel Huber (Südafrika), doch hatten Chan und Chuang nun der Welt gezeigt, dass man fortan mit taiwanischem Damentennis zu rechnen habe.

Obwohl Damentennis in Taiwan nicht so populär ist wie Baseball und weniger gespielt wird als Basketball, ist Damentennis für die Taiwaner doch zu einer Quelle des Nationalstolzes geworden. Wenngleich bei den Herren die Spieler des Landes sich recht wacker geschlagen haben (im Jahre 2004 wurde der 21-jährige Lu Yen-hsun(盧彥勳) der erste taiwanische Spieler, der es auf die ATP-Weltrangliste der 100 besten Spieler schaffte und im Jahr 2007 auf Platz 80 aufstieg), haben die Damen mehr geleistet, im Laufe der letzten 15 Jahre Taiwans Image in der Tenniswelt zu fördern.

Taiwans Aufstieg beim Damentennis begann im November 1993, als die 20-jährige Wang Shi-ting王思婷) vom Damen-Tennisverband WTA, der die internationale WTA-Tour organisiert, auf Platz 26 der Weltrangliste eingestuft wurde. Wang konnte bei mehreren Grand Slam-Turnieren die dritte Runde erreichen, etwa bei der French Open 1995 und der Australien Open 1997. Als sie die Gelegenheit erhielt, in ihrem Heimatland beim Asienturnier Asian Championships 1997 in Taipeh zu spielen, war sie nicht zu bremsen -- sie gewann das Dameneinzel und war auch in den Disziplinen Doppel und Gemischtes Doppel siegreich. 1998 machte dann die 27-jährige Janet Lee(李慧芝) Schlagzeilen, als sie in der WTA-Einzelrangliste auf Platz 79 kam. 1999 erreichte Lee bei der Australien Open die dritte Runde.

Die Tennisspielerinnen Taiwans haben es in den letzten Jahren wirklich weit gebracht. 2007 setzten Chan und Chuang ihren Überraschungserfolg bei der Australian Open fort, als sie das Endspiel beim Doppel der US Open in New York erreichten, einem weiteren Grand Slam-Turnier. Im Finale verloren sie gegen Nathalie Dechy (Frankreich) und Dinara Safina (Russland). In der WTA-Doppelweltrangliste sind Chan und Chuang in diesem Jahr unter den ersten 10.

Im Januar dieses Jahres kam die 22-jährige Hsieh Su-wei(謝淑薇), die bei den Asienspielen 2006 in Doha (Katar) mit der taiwanischen Damenmannschaft eine Goldmedaille gewonnen hatte, beim Einzel der Australien Open weiter als Wang und Lee -- sie erreichte die vierte Runde. Nie zuvor war ein taiwanischer Einzelspieler bei einem Grand Slam-Turnier so weit vorgedrungen, auch bei den Herren nicht. In der WTA-Einzelrangliste konnte Hsieh in diesem Jahr auf Platz 90 vorrücken.

Taiwans Tennisdamen trumpfen auf

Hsieh Su-wei, hier bei einem Match in Taiwan, erreichte dieses Jahr Platz 90 der WTA-Weltrangliste (Dameneinzel). (Foto: Courtesy CTTA)


Mehr Berichterstattung

Nach Ansicht von Philip Liu, Generalsekretär von Taiwans nationalem Tennisverband Chinese Taipei Tennis Association (CTTA), tun die Tennisstars des Landes für die Förderung von Taiwans Image vielleicht mehr als die Baseballspieler; Baseball ist für Taiwan eine andere vielbeachtete Sportart auf der internationalen Bühne. Unter den taiwanischen Baseballstars ist Wang Chien-ming(王建民) zu nennen, ein überaus erfolgreicher Spieler bei den New York Yankees. "Als 'Pitcher' kann Wang nicht in allen Spielen der Yankees während der Saison dabei sein", weiß Liu. "Das bedeutet, dass taiwanische Tennisspieler, Herren wie Damen, bei den Live-Übertragungen von Spielen internationaler ATP- oder WTA-Turniere, die an 11 Monaten des Jahres stattfinden, viel mehr Aufmerksamkeit der Medien erhalten."

Wegen der guten Wettkampfergebnisse von Chan, Chuang, Hsieh und anderen neuen Tennisstars sowie leichtem Zugang zu internationalen Sportkanälen im Fernsehen interessieren sich immer mehr Taiwaner für Tennis, nicht nur als Fernsehzuschauer, sondern auch als aktive Spieler. "Bei Hochschulstudenten, darunter einer wachsenden Zahl von Frauen, ist Tennis zu einem der beliebtesten Sportkurse geworden", verrät Liu, der auch Tennisspieler und -trainer ist.

Chen Nan, Cheftrainer der taiwanischen Tennis-Nationalmannschaft bei internationalen Wettkämpfen, glaubt, dass die Bereitwilligkeit von vielen der älteren Athletinnen in Taiwans Damentennis, ihre sportliche Karriere aus persönlichen oder familiären Gründen aufzugeben, es den jüngeren Spielerinnen ermöglicht, mehr Erfahrung zu sammeln und bekannter zu werden. Philip Liu sagt, da Frauen "schneller reif werden als Männer und sie in Taiwan überdies keinen Militärdienst leisten müssen, bringen unsere Damen beim Tennis bessere Leistungen als unsere männlichen Spieler, auch wenn die Herren dabei aufholen, eine führende Rolle in Asien zu spielen". Anders als viele andere ausländische Spieler müssen taiwanische Männer über 18 ein Jahr lang Militärdienst leisten (vor dem ersten Januar dieses Jahres hatte die Dienstzeit sogar noch 18 Monate betragen), und während ihrer Zeit in der Schule der Nation müssen sie ihr Tennistraining aussetzen.

Eine zunehmende Bereitschaft der taiwanischen Spieler und ihrer Familien, ins Ausland zu reisen, ist für ihre Karriere ebenfalls hilfreich. "In der Vergangenheit fuhren unsere Tennisspieler in der Regel als Mitglieder eines Teams zu ausländischen Wettbewerben", erinnert sich Liu Yu-lan, CTTA-Vorstandsmitglied und eine der Spielerinnen der ersten Generation in Taiwans Tennis-Nationalmannschaft. "Doch heute können ihre Eltern sie auf eigenen Reisen zu verschiedenen Spielen auf der ganzen Welt mitnehmen."

Philip Liu macht darauf aufmerksam, dass es der US-Amerikaner Michael Chang(張德培) war, der als Erster die Begeisterung für Tennis in Asien auslöste. Changs Vater war in China geboren, seine Mutter in Indien, doch beide wuchsen in Taiwan auf und sind chinesischer Abstammung. Chang erblickte in den USA das Licht der Welt und wurde 1989 im Alter von 17 Jahren mit seinem Triumph bei der French Open der jüngste Einzel-Gewinner eines Grand Slam-Turniers. In den neunziger Jahren war Chang mehrere Jahre lang unter den ersten zehn der ATP-Weltrangliste, und die höchste Platzierung, die er je erreichte, war Nr. 2 im Jahre 1996. Wang Shi-tings brillantes Spiel Anfang der neunziger Jahre ermutigte wiederum viele taiwanische Frauen dazu, zum Tennisschläger zu greifen, und heute werden junge Taiwanerinnen auch durch die jüngsten internationalen Erfolge von Chan, Chuang und Hsieh motiviert.

Taiwans Tennisdamen trumpfen auf

Tennistalent Tsao Fang-chi mit Mitschülern in der Xin Xing-Mittelschule.


Beste Aussichten

Trainer Chen ist überzeugt, dass Tsao Fang-chi, eine 14-jährige Schülerin an der Xin Xing-Mittelschule in Taipeh, das Zeug dazu hat, zur nächsten Welle der weiblichen taiwanischen Tennisstars zu gehören. Tsao fing als Drittklässlerin in der Huatan-Grundschule im zentraltaiwanischen Landkreis Changhua mit Tennis an und entwickelte seitdem einen kraftvollen Spielstil. Im Februar kam sie in der CTTA-Rangliste für 14-jährige Nachwuchsspielerinnen unter die ersten zehn. Anfang des Jahres gewann sie ein Juniorenturnier für 14-Jährige im südtaiwanischen Kaohsiung.

"Ich trainiere sie genau so wie die Jungens", meint Chen halb im Scherz. "Ihr Spielniveau zeigt, dass der Abstand zwischen den taiwanischen Spielerinnen und ihren ausländischen Rivalinnen geringer ist als der zwischen Taiwans Jungs und ihren ausländischen Konkurrenten."

Eine weitere begabte Tennisspielerin ist die 12-jährige Syu Jing-wun, welche die Guang Rong-Grundschule im Landkreis Taipeh besucht. Im April stand Syu auf der CTTA-Rangliste der 12-jährigen Tennisjuniorinnen an erster Stelle. Trotz ihres zarten Alters hat Syu sich bereits als Spielerin, die im Wettkampf einen kühlen Kopf bewahrt, einen Namen gemacht. Dieses Jahr gewann sie ein Turnier für Sechstklässlerinnen in Kaohsiung, im Vorjahr triumphierte sie bei einem Einzelwettkampf für Grundschulmädchen. Um ihre Tenniskarriere zu fördern, schickte ihre Familie sie vom Heimatort im osttaiwanischen Landkreis Hualien nach Guang Rong zum Schulbesuch -- und zum Tennisspielen. Ebenso wie Huatan und Xin Xing ist Guang Rong eine Schule, die sich auf die Entwicklung von Tennisspielern spezialisiert, und es gibt dort einen Trainer, der ausschließlich für Tennis da ist. Vor nur ein paar Jahren waren solche Spezialtrainer in Taiwans Grund-, Mittel- und Oberschulen kaum zu finden.

Manche von Syus Tennis-Teamkollegen, sowohl Mädchen als auch Jungen, kommen gleichfalls aus anderen Teilen Taiwans und leben im Wohnheim der Schule. Diese jungen Tennisspieler nehmen jeden Tag für mehrere Stunden an regulären Trainings-Unterrichtseinheiten teil, in den Sommer- und Winterferien erhalten sie intensiveres Training. Etwa einmal im Monat messen sie sich in Turnieren, die von öffentlichen Organisationen oder Privatunternehmen gesponsert werden und auf der ganzen Insel stattfinden. Die Leistung der Spieler bei diesen Turnieren entscheidet über ihre Platzierung auf den CTTA-Ranglisten, die jeden Monat veröffentlicht werden.

Trainer Chen hält die Einführung eines Systems zum Anwerben und Zulassen herausragender Schülersportler an Hochschulen mit Sportabteilungen für einen Faktor, der wesentlich zur Verbesserung der internationalen Resultate von Taiwans weiblichen wie männlichen Tennisspielern in den vergangenen Jahren beigetragen hat. Zwar müssen sie gewisse akademische Kriterien erfüllen, doch die Spieler können nun ihre Leistungen bei Turnieren im In- und Ausland, darunter Wettkämpfen des Internationalen Tennisverbandes (International Tennis Federation, ITF), dazu benutzen, Zulassung an Schulen aller Ebenen einschließlich Magisterniveau zu erlangen. Das könnte ein Grund dafür sein, dass Syu und ihre Teamkollegin Gao Pei-wun, die in der CTTA-Juniorenrangliste gleichfalls unter die ersten zehn kam, von ihren Eltern ermuntert wurden, eine Karriere beim Tennis anzustreben. Diese Art der Unterstützung von Schulen und Eltern ermöglichte es den vielversprechenden jungen Spielern, ihre Ausbildung fortzusetzen und gleichzeitig ihr Können beim Tennis zu verbessern. Infolgedessen haben Mädchen wie Tsao Fang-chi von der Xin Xing-Mittelschule sich selbst das Ziel gesetzt, eines Tages als Profis bei Grand Slam-Spielen dabei zu sein.

 Taiwans Tennisdamen trumpfen auf

In Taiwans Juniorenrangliste haben es Gao Pei-wun (links) und Syu Jing-wun (zweite von links), welche die Guang Rong-Grundschule besuchen, bereits weit gebracht.


Förderung durch Unternehmen

Seit Mitte der neunziger Jahre hat die Firma Four Pillars Enterprise Co., ein Klebebandhersteller mit Sitz in Sanchong (Landkreis Taipeh), jedes Jahr zwei Tennisturniere für Grundschüler finanziert. Nach den Worten von Liu Yu-lan, CTTA-Vorstandsmitglied und ehemalige Spielerin, haben die Spiele für den Four Pillars Cup bei der Entwicklung von Damentennis in Taiwan eine zentrale Rolle gespielt. Unter anderem verdienten sich auch Chan, Chuang und Hsieh durch ihre eindrucksvollen Leistungen bei Four Pillars-Spielen erste Anerkennung. Das Unternehmen ist zudem ein wichtiger Sponsor von Chan und Wang Shi-ting.

Im Oktober 2007 erhielt Taiwans Damentennis Schub durch einen der anderen Sponsoren Chans, nämlich der OEC-Gruppe, einem internationalen Transportunternehmen. Die Gruppe besorgte die finanzielle Unterstützung für die Einrichtung der offenen taiwanischen Damen-Tennismeisterschaft OEC Cup Taiwan Ladies Tennis Open, die vom ITF abgesegnet wurde. Die mit 50 000 US$ dotierte Veranstaltung fand 2007 im Sunny Hill Country Club im Landkreis Taoyuan statt und war das einzige Damentennis-Profiturnier, das in jenem Jahr in Taiwan stattfand. Bei dem Turnier waren nicht nur die besten taiwanischen Tennisspielerinnen dabei, sondern auch über 100 Spitzenspielerinnen aus 40 Ländern. Die OEC-Gruppe hat außerdem Pläne, in Zukunft sein Sponsorentum des OEC Cup auf das Niveau eines vom WTA anerkannten Turniers zu erhöhen. Die ehemalige Spielerin Liu Yu-lan hofft, dass mehr einheimische Firmen diesem Beispiel folgen, da solche Wettkämpfe taiwanischen Spielerinnen die Möglichkeit geben, ihr Können im Inland gegen einige der besten Gegner der Welt zu demonstrieren.

Eines der Hauptziele des CTTA ist, taiwanisches Tennis attraktiv genug zu machen, um die Unterstützung von mehr Firmensponsoren zu gewinnen, so Philip Liu. Was seiner Ansicht nach noch getan werden müsse, sei unter anderem der Bau eines Tenniszentrums in Taipeh, das bei Größe und Einrichtungen internationale Standards erfüllt, denn Unternehmen wie die OEC-Gruppe suchen nach passenden Schauplätzen, wenn sie erwägen, Veranstaltungen zu sponsern. "Wenn Tennis ein Produkt ist, haben wir die Talente, Käufer und Marketingkräfte", behauptet er. "Wir haben jedoch keine eigene Schaubühne, um unser Produkt der Welt zu präsentieren."

Die Liste der Tennisspieler, welche der ITF für die Teilnahme an den 29. Olympischen Sommerspielen in Beijing im August 2008 ausgewählt hat, wurde im Juni veröffentlicht. Janet Lee und Judy Weng(翁子婷) aus Taiwan hatten für das Doppel bei den 27. Olympischen Sommerspielen 2000 in Sydney eine Wildcard-Einladung erhalten und verloren im Achtelfinale gegen ein Paar aus der Ukraine. Bei den 26. Olympischen Sommerspielen 1996 in Atlanta siegte Wang Shi-ting in der ersten Runde, wurde dann aber in der zweiten Runde von der US-Amerikanerin Mary-Joe Fernandez eliminiert. Angesichts ihrer jüngsten starken Leistungen haben die Doppelpartnerinnen Chan Yung-jan und Chuang Chia-jung gute Chancen, nicht nur für die Olympiade in Beijing nominiert zu werden, sondern auch eine Medaille zu gewinnen und damit die zunehmende Stärke des taiwanischen Damentennis für die ganze Welt sichtbar zu machen.

(Deutsch von Tilman Aretz)

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